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Das Erschrecken über die harte militärische Reaktion Russlands gegen Georgien ist in der EU rasch wieder verflogen. Doch in Osteuropa, den 2004 zur EU hinzugekommenen Staaten, vor allem in Polen und dem Baltikum wird der Krieg des Sommers 2008 als Beweis für eine reale Bedrohung angesehen, die von Russland ausgeht. Ganz besonders die Ukraine ist vom Kaukasus-Konflikt unmittelbar betroffen. Die Frage: „Wie kann verhindert werden, daß die Ukraine das zweite Georgien wird?“ beherrscht die ukrainische Außenpolitik und die Politik der Parteien, die sich schon vorher heillos zerstritten hatten.

Am 13. Oktober, 19:00 Uhr hielt Dr. Ernst Lüdemann in Ludwigshafen einen öffentlichen Vortrag über dieses Thema. Eingeladen hatte der Internationale Bauorden, einer der wichtigsten Partner der DUG. Unter den Gästen war auch eine Gruppe von Freiwilligen des Bauordens, vorwiegend aus der Krim. Erfreulich, daß es zwischen den jungen Leuten, unter denen Russen, Ukrainern, Krimtataren, dazu eine junge Georgierin und ein Spanier waren, zu keinerlei Schärfen kam, vielmehr führten sie eine sehr sachliche Diskussion im Anschluß an die bebilderten Ausführungen des Referenten. Dieser wies besonders auf folgende Punkte hin:
Die Auseinandersetzung fällt in eine Zeit erhöhter Spannungen zwischen den USA als Vormacht der NATO und Russland, die Krise um Georgien bringt zusätzliche Gefahren für die Stabilität der Weltpolitik. Symptomatisch für eine Wiederauflage des Kalten Krieges sind die Raketenkrise um die Installation eines von den USA betriebenen Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien, die im November beginnenden Flottenmanöver Russlands in der Karibik zusammen mit Venezuela, einem erklärten Gegner der Vereinigten Staaten, sowie die wiederholte Drohung der russischen Militärführung, strategische Bomber auf Kuba zu stationieren, die Flottendemonstration der USA im Schwarzen Meer unmittelbar nach dem Ende des Krieges in Georgien und die Waffenlieferungen der USA an Georgien während des Krieges. Die enge Verbindung zwischen der Ukraine und Georgien zeigen folgende Tatsachen: Beide sind Mitglieder der von der Ukraine als Gegengewicht gegen Russland gegründeten  Staatengruppe GUAM, zu der auch noch Moldova und Azerbaidžan gehören. Um die Aufnahme beider Staaten in eine konkrete NATO-Anwartschaft  ging es im Mai dieses Jahres auf dem NATO-Gipfel im Bukarest. Die USA und die osteuropäischen Staaten befürworteten diesen Plan, andere NATO-Staaten, besonders die Bundesrepublik Deutschland verhinderten ihn durch ihren Einspruch.

Waffenlieferung der Ukraine an Georgien kurz vor Ausbruch des Krieges, der Abschuss mehrerer russischer Flugzeuge durch Flugabwehrraketen ukrainischer Produktion, das Eingreifen der russischen Flotte in den Krieg vom Krim-Stützpunkt Sevastopol aus gegen den Protest der ukrainischen Staatsführung, die demonstrative Reise Präsident Juščenkos nach Georgien am 2. Kriegstag, die Verleihung russischer Staatsbürgerschaften durch die russische Vertretung auf der Krim beweisen schlagend, welche Gefahren der Krieg auch für die Ukraine mit sich brachte. Während Präsident Juščenko das Vorgehen Russlands scharf verurteilte und den engstmöglichen Anschluß an die USA anstrebte, schlug seine ehemalige Kampfgefährtin und jetzige politische Gegnerin, Ministerpräsidentin Julia Tymošenko einen sehr pragmatischen Kurs gegenüber Russland ein. Ihre Verhandlungen in Moskau über ein neues Gaslieferungsabkommen fanden in einer entspannten Atmosphäre statt. Sie schloss sich allerdings der Erklärung an, die die französische EU-Präsidentschaft zum Konflikt abgegeben hatte. So wie die politischen Kräfte ist auch die Gesellschaft der Ukraine durch den Georgienkrieg aufgewühlt und gespalten. Die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung lehnt einen Beitritt zur NATO ab, während ein EU-Anschluss ganz überwiegend befürwortet wird.

 

Ernst Lüdemann
Ernst Lüdemann

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